Es war soooooo schön Weihnachten wieder mit der Familie zu
verbringen. Nachdem ich letztes Jahr ja schon über Weihnachten und Neujahr in
Indien war, war das dringend notwendig und ganz wunderbar. Allgemein bin ich
froh meine 4 freien Wochen in Deutschland verbracht haben zu können. Ich konnte
auf den Weihnachtsmärkten herumschlendern, Glühwein trinken, Lebkuchen essen,
tanzen gehen, Partys feiern, vor allem aber Freunde treffen (auch wenn ich für
einige Leute gerne mehr Zeit gehabt hätte) und mit meiner Familie zusammen zu
sein... Aber wie es eben im Leben immer ist, mussten auch meine Ferien mal zu
Ende gehen. So sitze ich Donnerstagabend also vor meinem gepackten Koffer mit
leichten Schmerzen im Mund und versuche mich auf einen 24-stündigen Aufenthalt
in Flugzeugen und Flughäfen einzustellen, was mir nicht allzu gut gelingt… Am
nächsten Morgen um halb 5 / 5 werde ich geweckt und muss feststellen, dass sich
meine leichten Schmerzen in ziemlich üble Schmerzen verwandelt haben. Und etwas
später auch, dass diese üblen Schmerzen von einer fiesen Schwellung kommen.
Aber ich habe einen Flieger zu erwischen, demnach fahren meine Eltern und ich
los Richtung Frankfurt. Ihr Plan ist es mich dort abzusetzen und sich danach
ein Wellness-Wochenende zu genehmigen. Am Flughafen Check-In allerdings sieht
sich Mama-Krankenschwester meine Schmerzquelle noch einmal genauer an und sogar
mein Papa-Nicht-Mediziner wirkt besorgt, weshalb also (mittlerweile kurz
vor 8) der Erlanger Zahnarzt verständigt wird.
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In Delhi |
Nach einigem Hinundher wird entschieden, dass ich nicht fliege, woraufhin ich
in Tränen ausbreche („Das geht doch nicht! Ich hab Montag Schule! Und…au, das
tut weh!) :D Aber meine Argumente sind wenig überzeugend, weshalb wir ein
überteuertes Cafe aufsuchen, in dem ich so oder so kaum einen Bissen hinunter
bringe, da meine üblen Schmerzen nun Höllenschmerzen gleichen. Ca. 3 Stunden
später finde ich mich auf einem Zahnarztstuhl wieder. Nachdem meine Schwellung
(Entzündung) behandelt wurde, geht’s weiter zum Kieferorthopäden, dort wird
entschieden das, der letzte Backenzahn gezogen werden muss, damit sowas ja
nicht nochmal passiert. Erst nochmal in die Stadt um etwas zu essen (es ist
mittags um 2), zurück in die Praxis, wieder so fürchterliche Spritzen ertragen,
sich den Zahn ziehen lassen, und nach Hause fahren. Als wir dort ankommen ist
es abends um 6. Wir sind wohlgemerkt um 5 Uhr früh aufgestanden, ich sollte in
Flugzeug irgendwo über den VAE und meine Eltern entspannt im Whirlpool oder
einer Sauna sitzen… Tja stattdessen werde ich eine Woche lang liebevollst
umsorgt und versuche den verpassten Schulstoff daheim etwas zu lernen… Freitag,
eine Woche später, diesmal jedoch ohne den leisesten Schmerz, stattdessen einem
guten Gefühl im Bauch, starten wir die gleiche Prozedur, diesmal läuft alles wie
geplant und ich fliege entspannt nach Abu Dhabi (mal abgesehen von 2 deutschen
Jungs die sich wegen irgendwelchen Kleinigkeiten in voller Lautstärke zoffen),
wo ich umsteige in einen Flieger voller Inder und ein paar wenigen Westlern…und
hier wird’s spannend:
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Flughafen Delhi |
Es ist ja so, seit Ende des 2. Weltkrieges werden Rassismus,
Faschismus etc. sehr ungern gesehen, die meisten Menschen (mit halbwegs gesundem
Menschenverstand)
schätzen Toleranz,
kulturelle Vielfalt und eine gewisse Weltoffenheit. Natürlich gibt’s dann noch
einige Unglückliche, die andere Ansichten haben. Sie besitzen meist
Bezeichnungen wie Neo-Nazi, Rassist oder einfacher Vollidiot. Glücklicherweise verkrümeln
sich diese aber meist in ihrer eigenen kleinen Welt irgendwo in ihrem „Vaterland“.
Vielleicht schaffen es manche noch bis Österreich, aber auf keinen Fall weiter.
Aus Europa raus…unvorstellbar.
Als ich jedoch nach einigen mühseligen Schlafversuchen endlich in Delhi ankomme
und darauf warte aussteigen zu können, muss ich Zeuge von menschlicher Dummheit
in recht üblem Ausmaß werden.
Ein Inder war wohl frühzeitig aufgestanden um sich sein Handgepäck zu holen um
dann festzustellen, dass er tatsächlich zu schnell war. Als er sich das zweite
Mal mit allen anderen erhebt, vernehme ich eine männliche, deutsch sprechende
Stimme, die nur Unsinn redet. Nein, die nur Unsinn schimpft…beschimpft, den
Inder beschimpft, auf Deutsch…:“jaja, aber erstmal alle anderen Leute nerven. Ja,
da schauste blöd, was?! Verstehst wohl meine tolle Sprache nicht…?! Etc.“ Diese
Stimme hört auch nicht mehr auf Unsinn von unermesslicher Dummheit zu
schimpfen. Die Freunde des Stimmenursprungs unternehmen allerdings auch (fast)
nichts. Bis sich endlich ein anderer Inder einmischt, der zufälligerweise deutsch
versteht und ausgezeichnet spricht, was das soll, warum er so redet und ob er
nicht weiß, was Respekt ist. („Endlich jemand der meine schöne Sprache versteht,
wohl weiß ich, was Respekt, aber du anscheinend nicht. Und überhaupt, dieses
Land, die Leute…etc.“)
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Das wundervolle Auto, mit dem ich abgeholt wurde :D |
Die meisten anderen Versuche von Deutschen, die sich vor lauter Fremdschämen
kaum zu helfen wissen, sich einzumischen (darunter meiner) gehen leider im Lärm
der Maschine und der Ignoranz der Personifizierung des Wortes Arschloch unter.
Die Diskussion endet als sich die Massen endlich richtung Ausgang bewegen. Als
ich an der menschlichen Dummheit in Menschengestalt vorbeilaufe, kann ich es
nicht lassen im mein Mitleid für seine erstaunlich ungebildeten und dramatisch
begrenzten Ansichten auszusprechen, sicher nicht die eleganteste geschweige
denn effektivste Methode mit einem solchen Wesen umzugehen, aber immer noch
besser als es gegen die Wand zu klatschen, was ich in diesem Moment für mich
eine äußerst verlockende Vorstellung war. Während ich also wenig später an der
Einreiseschlange warte, stehen diese Personifizierung und seine Freunde ca. 10m
entfernt von mir in der Nachbarschlange. Ich gebe mir wirklich alle Mühe mich
in Geduld zu üben, doch als die Stimmen immer lauter und die Finger, die auf
mich zeigen immer deutlicher werde, halte ich es nicht mehr aus und begehe die
eigene Dummheit einen Kuss mithilfe des Mittelfingers in die Richtung der
Stimmen und auf mich zeigenden Finger zu schicken (auch weder elegant noch
effektiv, ich weiß), die jedoch definitiv noch dümmere Antwort auf mein Handeln
(„Weißt du, wo ich dir den Finger gleich hinstecke, Bitch!“ ) lässt mich in
einen so heftigen Lachanfall ausbrechen, dass ich Schwierigkeiten habe mich
wieder zusammenzureißen, da ich sofort danach an der Reihe bin. Das letzte was
ich von der Personifizierung des Wortes Arschloch mitbekam, war, dass es am
Schalter stand und nicht weiterkam, Auch an der Gepäckausgabe finde ich
ausschließlich Menschen vor, die mir recht normal erscheinen. Manchmal hoffe
ich ja, dass Vollidiot und seine Begleiter noch immer dort versauern, denn das
wäre wohl sowohl für Indien und dessen Bewohner als auch für Vollidiot das
Beste. Ich frage mich bis heute warum diese Leute in diesen Flieger gestiegen
sind, wenn sie doch weder Weltoffenheit, noch Verstand, Englischkenntnisse und
stattdessen nur Dummheit, Patriotismus etc. besitzen….WARUM??? Warum fliegt
sowas verkorkstes nach Indien?
Ich habe mein Gepäck und meine Nerven wieder und 12 Stunden
Zeit völlig übermüdet am Flughafen rumzuhängen. Was tun? Erstmal raus aus der
Ankunft…auf dem Weg sehe ich einige Inder in Anzug hinter einem Tresen, wirkt
schwer wie jemand den man um Hilfe bitten kann und ohne viel sagen zu müssen
(Helle Locken ziehen bei Indern scheinbar immer ;P) antwortet mir Amir (der
Anzug-Inder), ich sei süß und er bringe mich in eine Lounge, wo ich mich
ausruhen könne. Gesagt, Getan und nicht nur das, wie es scheint ist er wichtig
genug um ein fremdes Mädchen, dem man seine Reisezeit deutlich ansieht, in
einer Edellounge unterzubringen, mit ihr dort Capuccino zu trinken und sie die
restliche
Wartezeit dort schlafen zu lassen,
alles kostenfrei! Wir unterhalten uns über Arbeit, Schule, Hobbies, dass
übliche eben und in einem Nebensatz rutscht im dann elegant heraus, dass er
Indiens schnellster Sprinter war. Ich weiß
bis heute nicht, wie viel Wahrheit in dieser Aussage steckte, aber so
oder so war es mir eine Ehre seine Bekanntschaft zu machen. So freundlich und
hilfsbereit wie er war, hat er mich die vorherigen Ereignisse vergessen lassen
und mich erneut dazu gebracht, mich auf die herzlichen und guten Seiten von
Menschen zu konzentrieren.
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Zurück bei meiner tibetischen Familie |
Einige Stunden später sitze ich endlich in einem Flieger,
der mich in mein geliebtes Dharamsala bringen soll. Neben mir sitzt ein Inder,
der mich relativ schnell in ein hochphilosophisches Gespräch verwickelt. Nein,
eigentlich hat er mir Unterricht erteilt, denn ich war absolut nicht im Zustand
philosophische Diskurse zu führen.
Noch etwas später erblicke ich Nawang Chöden, Nawang Champa
und Sangmo, die mich abholen. Ich hätte tanzen können vor Freude sie wieder zu sehen. Auf dem Weg
nach Hause muss ich allerdings schmerzlich feststellen, dass ich so ca. alles
Tibetisch vergessen habe, was ich vergessen konnte. Ich verstehe kein Wort.
Am Ratö
Labrang angekommen, renne ich freudig die Treppen zu meinem Zimmer hinauf, die
Sonne scheint und die Welt scheint voller Wunder.